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RUTH BAUMGARTE. I Believe in Woman – Frauenbilder 1940–2004
14.04.2024 - 07.07.2024
Ausstellung
Beschreibung
Mit der Malerin und Zeichnerin Ruth Baumgarte (1923–2013) präsentiert das Stadtmuseum Siegburg eine der überraschenden Wiederentdeckungen in der Kunstwelt der jüngsten Zeit. Insbesondere die Ausstellung ihres Werks in der Albertina Wien 2022/23 hat ein breites Publikum angezogen, das sich für die hochaktuellen Themen der Künstlerin interessiert.Zeitlebens befasste sich Ruth Baumgarte in ihrem Werk mit Fragen des menschlichen Daseins. Als genaue Beobachterin ihrer Zeit war sie immer auf die Wirklichkeit ausgerichtet. Doch wandte sie sich in ihren Bildern mit großem Einfühlungsvermögen schon früh dem innerlich Erlebten des Menschen zu. Besonderes Interesse hatte die emanzipierte Künstlerin an der Rolle der Frau, ihren multiplen Aufgaben und den Weiblichkeitstypologien zwischen Selbstbestimmung und Abhängigkeit. Die Einzelausstellung mit etwa 50 Ölbildern, Aquarellen und Zeichnungen nimmt diese Thematik erstmals in den Blick und folgt den Frauenbildern in Ruth Baumgartes Schaffen von 1940 bis 2004 nach.
Den Auftakt der Ausstellung bildet eine Auswahl prägnanter Selbstporträts, mit denen die Künstlerin bedeutende Übergangs- und Umbruchphasen ihres Lebens und Arbeitens reflektierte. Ruth wuchs im weitläufigen Berlin der „Goldenen Zwanziger“ auf, in die die alleinerziehende Margarethe Kellner-Conrady mit der Tochter 1925 gezogen war. Die Mutter gab später ihre Schauspielerinnenkarriere auf, um sich mehr um ihre Tochter kümmern zu können. Der Vater Kurt Rupli, Theaterdirektor, Filmregisseur und späterer UFA-Produktionschef, stand getrennt lebend im Hintergrund. Während Ruths Schulzeit erkannte die Mutter deren zeichnerisches Talent und sorgte dafür, dass sie mit 16 Jahren von der bekannten Privaten Kunstschule des Westens der Malerin Emmy Stalmann aufgenommen wurde. Von dort wechselte sie 1941 zur Staatlichen Hochschule der bildenden Künste in Berlin, um Freie Grafik und Malerei zu studieren. Das Zeichnen wurde fortan zum wichtigsten Medium ihrer künstlerischen Karriere und das genaue Beobachten mit Feder, Stift oder Pinsel ein grundlegendes Instrument, um sich ihrer selbst und ihres Umfeldes zu vergewissern. Eine Reihe von Frauenporträts aus ihrem Lebensumfeld um 1943/46 zeigen ihre Mutter, ihre Tante, Freundinnen, Bekannte und Menschen auf der Straße: ungeschönt präzise und sachlich in der Zeit der Schrecken und Gräuel des Zweiten Weltkrieges. Auch politisch und rassisch Verfolgte wurden zu verbotenen Sujets ihres Frühwerks.
Wesentliche Impulse für ihre Figurengestaltung erhielt Ruth Baumgarte aus der Theater- und Tanzwelt mit ihren Rollenspielen und Inszenierungen, die sie zu bühnenartigen Kompositionen inspirierte. Frauen erhalten in ihren symbolhaften Bilderserien ab den 1970er-Jahren tragende Rollen. Beispiele sind ihre Bilderserien wie Wintertod von 1982/83 oder A la recherche du temps perdu ab 1984. Hier sind die Frauenfiguren in vieldeutige Räume eingewoben, die symbolhaft für ihre inneren Ausnahmezustände stehen.
So spiegeln Ruth Baumgartes Frauenbilder die „Neue Subjektivität“ (Frank Biess) der 1970er-Jahre wider, die in der heutigen Emotionsgesellschaft der Social Media aktueller denn je erscheinen.
Zunehmend wurde die Künstlerin durch die politischen Bewegungen ihrer Zeit aufgeschreckt und von der „tägliche(n) Angst unserer achtziger Jahre“ (Ingeborg Drewitz, 1983) bewegt. Ruth Baumgarte überdachte ihre Bildgestaltung und ging ab 1985 explizit auf aktuelle politische Debatten zur Anti-Atomkraft-, Umwelt- und Sozialbewegung ein. Ein reduziertes Figurenpersonal vermittelt mit seiner prägnanten Körpersprache Angst, Verzweiflung oder Auflehnung gegenüber dem herrschenden gesellschaftlichen Kanon. Die handwerklich anspruchsvolle, transparente Aquarelltechnik bot sich der Malerin als ideales Mittel an, die Psyche der Menschen in ihrer modernen Zerrissenheit offenzulegen.
Ruth Baumgarte arbeitete seit 1984 parallel an ihrem Afrika-Zyklus. Der Kontinent mit seiner Kraft, aber auch seinen großen sozialen und politischen Veränderungen, wurde zum Mittelpunkt ihres fulminanten Spätwerks, das die internationale Rezeption ihres Werks einleitete. Ihr Afrika-Zyklus entstand zu einer Zeit, in der die heute öffentlich-
keitswirksamen postkolonialen Diskurse gerade erst einsetzten. Ihre vibrierenden Farbkompositionen waren vom besonderen Licht des Kontinents inspiriert und wiesen bereits auf die dortigen großen politischen Unruhen und Bewegungen hin, die auch das Leben der Frauen neu gestalteten.
Ruth Baumgartes Œuvre wurde in bedeutenden internationalen Museen, Galerien und Institutionen, zuletzt im Marmorpalast in St. Petersburg und in der Albertina in Wien ausgestellt. Ein Jahr bevor Ruth Baumgarte 2013 starb, gründete sie die nach ihr benannte Kunststiftung, welche seitdem ihren Nachlass betreut, erforscht und vermittelt. Die Kunststiftung verleiht den renommierten Kunstpreis Ruth Baumgarte an zeitgenössische Künstlerinnen und Künstler, der 2023/24 an die internationale Künstlerin Lee Bul (geboren 1964 in Seoul) geht.